LG Bad Kreuznach: Zur Haftung des Finanzagenten gegenüber der Überweiserbank

Das LG Bad Kreuznach (Az. 2 O 331/07) hat mit Urteil vom 30.01.2008 einen Finanzagenten zur Rückzahlung des an ihn aufgrund von Phishing gezahlten Geldes verurteilt. Obwohl dieser den überwiesenen Betrag bereits per Western Union ins Ausland weitergeleitet hatte, konnte er sich nach Ansicht des Gerichts nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen.

Der arbeitssuchende Finanzagent erhielt von einer ihm unbekannten Gesellschaft mit Sitz in der Ukraine eine E-Mail, in der ihm eine Beschäftigung als "Manager für Zahlungsbearbeitung" angeboten wurde. Seine Aufgabe sollte dartin bestehen, Zahlungen auf seinem Girokono in Empfang zu nehmen und sodann per Bargeldtransfer an andere Zahlungsempfänger weiterzuleiten. Für jeden Geldtransfer sollte er eine Provision in Höhe von 10 % erhalten. Der Finanzagent ließ sich auf dieses Angebot ein.

Kurze Zeit später ging auf dem Konto des Finanzagenten ein Betrag von fast 6.000 € ein, welcher von einem Konto einer Kundin der klagenden Bank stammte und ohne Wissen und Wollen dieser Kundin überwiesen wurde. Der Finanzagent holte das Geld in bar von seinem Konto ab und überwies es per Western Union in zwei Teilbeträgen an verschiedene Personen in St. Petersburg. Nachdem die Kundin der klagenden Bank die Abbuchung bemerkte, widersprach sie dieser. Es stellte sich heraus, dass die Abbuchung auf einer betrügerischen Ausspähung der Legitimationsdaten beruhte. Daraufhin schrieb die klagende Bank ihrer Kundin den abgebuchten Betrag wieder gut.

Der beklagte Finanzagent trug im Prozess vor, geschäftlich unerfahren zu sein und, dass er nicht gewusst habe noch hätte annehmen können, zum Schaden Dritter zu handeln. Ihm sei darüber hinaus seitens einer Sparkasse mitgeteilt worden, dass die Weiterleitung des Geldes unbedenklich sei.

 

Das Gericht nahm einen Anspruch der klagenden Bank gegen den Finanzagenten aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) an. Durch die Veranlassung der Gutschrift auf dem Konto des Finanzagenten habe die Bank eine eigene Leistung erbracht, für die kein Rechtsgrund bestand. Da eine Anweisung der Kundin tatsächlich nicht vorlag, handelte es sich auch nicht um eine Leistung der Kundin.

Nach Ansicht des Gerichtes konnte der beklagte Finanzagent sich auch nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen. Nach § 819 BGB haftet der Bereicherungsschuldner grundsätzlich dann verschärft, wenn ihm der Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung bekannt ist. Das Gericht konnte zwar nicht feststellen, dass der Beklagte den Sachverhalt vollständig überblickt und durchschaut hat, rechnete ihm aber die Kenntnis desjenigen zu, der die Überweisung auf sein Konto veranlasst hat. Hierzu wendete die Vorschrift des § 166 BGB,  nach welcher die Kenntnis des Vertreters dem Vertretenen zugerechnet wird, im Rahmen des § 819 Abs. 1 BGB entsprechend an. Die Vorschrift enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch dann Anwendung finden würde, wenn kein Vertretungsverhältnis vorläge. Mit der Begründung, der Finanzagent habe seinem Auftraggeber die tatsächliche Möglichkeit eingeräumt, Zahlungen auf sein Konto zu veranlassen, und diesen somit damit betraut in eigener Verantwortung gegenüber Dritten dergestalt in Erscheinung zu treten, dass diese Zahlungen auf das im Namen des Beklagten geführte Konto erbrachten. Daher müsse er sich auch das Wissen seines Auftraggebers zurechnen lassen, dem die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen bekannt war.

Die Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes ergibt sich nach Ansicht des LG Bad Kreuznach außerdem schon daraus, dass dem Finanzagenten die maßgebenden Tatsachen bekannt gewesen seien und er sich gleichwohl der sich daraus ergebenen Einsicht bewusst verschlossen habe. Die ungewöhnliche Kontaktaufnahme über E-Mail einer Gesellschaft aus der Ukraine, die ihm Geld anvertrauen wollte, ohne ihn zu kennen, und die Weiterleitung nicht an die Gesellschaft selbst sondern an zwei unterschiedliche Personen in Russland, habe die Sache so suspekt gemacht, dass ein redlich Denkender sich der Überzeugung der Rechtsgrundlosigkeit eingehender Zahlungen nicht verschlossen hätte. Die Behauptung, sich zuvor bei einer Sparkasse erkundigt zu haben, hätte der Finanzagent näher darlegen und unter Beweis stellen müssen.

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