„Bundes-Trojaner“ – Internet-Wirtschaft befürchtet große Schäden für den Standort Deutschland

Die Internet-Wirtschaft schlägt Alarm: Die geplante staatliche Online-Durchsuchung von Computern und Navigationsgeräten werde nicht absehbare Schäden verursachen, den Internet-Standort Deutschland schädigen, die internationale Hacker-Szene anlocken und Deutschland für Online-Spionage aus aller Welt öffnen. "Online-Durchsuchungen", so warnt Harald A. Summa vom Internet-Branchenverband ECO, "machen Deutschland nicht sicherer, sondern unsicherer."

Im Mittelpunkt der Aufregung steht der so genannte Bundestrojaner, ein staatlich entwickeltes Spionage-Programm, mit dem Behörden die Computer von Privatpersonen und Firmen durchsuchen wollen. Aber wohl nicht nur die Behörden. Summa: "Es wäre für Hacker ein Leichtes, das Trojanerprogramm des Innenministers zu kapern und sozusagen auf dem Rücken der Schäuble-Software in die Computer der Bevölkerung einzudringen."

Der ECO-Verband, dem nach eigenen Angaben 330 Firmen mit 200 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 45 Milliarden Euro angehören, "hat ein ebenso hohes Interesse am Thema Sicherheit wie der Bundesinnenminister", betont Summa. Und es gebe auch eine intensive Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden. "Aber die Vorschläge müssen realitätsnah sein. Ein Bundesprogramm, das quasi eine Einladung an die internationale Hacker-Szene darstellt, ignoriert die einfachsten Gesetze des Internets."

In die gleiche Kerbe schlägt Oliver Süme. Der stellvertretende ECO-Chef: "Während beim Bundeskriminalamt und den Strafverfolgungsbehörden durchaus Experten tätig sind, die sich mit dem Internet auskennen, ist das in der Politik oft nicht der Fall. Da wird aus Effekthascherei irgendetwas angekündigt, was in der Praxis schlicht technisch nicht umzusetzen ist."

Damit hat auch Dirk Hochstrate von der G-Data AG so seine Probleme. Das Vorstandsmitglied der Bochumer Firma für Sicherheitssoftware: "Es ist weltfremd, wenn wir gezwungen würden, in unsere Sicherheitsprogramme staatlich verordnete Lücken einzubauen. Das würde das Vertrauen unserer Kunden zerstören und unserer Firma und dem Internet-Standort Deutschland großen Schaden zufügen."

Mehr noch: Da das Internet nicht an Grenzen halt macht und offenbar auch Politiker in anderen Ländern mit eigenen Spionage-Programmen liebäugeln, würde weltweit verkaufte Sicherheitssoftware bald einem Schweizer Käse gleichen – voller Löcher für staatliche Hacker.

Hochstrate: "Aber auch die kriminellen Hacker werden sich freuen. Sie sitzen vor allem in China und Russland und sind oft besser ausgerüstet und ausgebildet als die Regierungs-Schnüffler. Aus globaler Sicht wäre das eine Katastrophe für die Internet-Nutzer." Für den G-Data-Manager ist denn auch klar: "Wir werden unsere Kunden auch in Zukunft mit unserer Software bestmöglich schützen. Auch gegen Schäubles Schnüffel-Software. Denn unsere Programme können nicht unterscheiden, ob es sich um ,gute´ oder ,böse´ Hackerprogramme der Regierung oder von Kriminellen handelt. Technisch sind beide gleich."

Die Branche ist aber auch aus anderen Gründen schlecht auf die Politik zu sprechen. Da wurde im Strafgesetzbuch der so genannte Hacker-Paragraf eingefügt. G-Data-Sprecher Thorsten Urbanski: "Danach ist es jetzt generell verboten, Viren zu besitzen, was eigentlich in Ordnung ist. Aber wir als Entwickler und Hersteller von Anti-Viren-Programmen sind aufgeschmissen. Das ist wie in der Medizin: Ohne Viren können wir keine Anti-Viren entwickeln." Da würden Firmen plötzlich in die Illegalität abgedrängt, kritisiert Hochstrate. Ähnliches gelte für Unis. Einer Zukunftsbranche würden viele Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Quelle: www.waz.de 

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